Archiv der Kategorie: Beforschung

Tysabri & PML – der Stand der Dinge

Seit 2005 sind unter Tysabri 58 PML-Fälle aufgetreten. 12 der Erkrankungen verliefen tödlich. Nach den epidemiologischen Daten liegt ein zeitabhängiges Expositionsrisiko vor. Es liegt bei einer Behandlungsdauer von unter 12 Monaten bei quasi null, ist zwischen 12 und 24 Monaten vor allem für chemotherapeutisch vorbehandelte Patienten relevant und steigt ab 24 Monaten auf etwa 1 zu 700. Darüber hinaus sind die Daten statistisch noch zu unscharf, um von einem Plateau oder einem weiteren zeitabhängigen Anstieg zu sprechen.

Für Biogen Idec ist es daher von drängender Wichtigkeit, sowohl die Behandlungsmethoden der PML zu optimieren, als auch zuverlässige Surrogatmarker zu entwickeln, um pml-gefährdete Patienten vor Ausbruch der Erkrankung zu identifizieren. Nur so kann das Unternehmen seine Tysabri-Umsätze langfristig behaupten und weiterentwickeln.
Man sollte also meinen, die dazu notwendigen Forschungsaufwendungen würden vollständig von Biogen Idec getragen. Immerhin weist die Bilanz für das Jahr 2009 einen Gewinn von 970,1 Millionen US-Dollar aus. Aber weit gefehlt, das deutsche Ministerium für Bildung und Forschung spendiert dem amerikanischen Biotech-Unternehmen mal eben 933.070 Euro, damit an der Neurologischen Klinik der Ruhr Universität Bochum an oben genannten Fragestellungen geforscht werden kann (Förderkennzeichen 01GI0914).
Eine Gewinnbeteiligung wird dem deutschen Steuerzahler im Erfolgsfall aber selbst- verstndlich nicht in Aussicht gestellt. So viel freie Marktwirtschaft muss dann doch sein.

[Quelle: Risikomanagement der Therapie-assoziierten Progressiven Multifokalen Leukenze- phalopathie]

Vitamin-D-Therapie senkt Schubrate bei MS?

TORONTO Erstmals wurde in einer Mini-Studie mit 49 Probanden beobachtet, dass hochdosiertes Vitamin D (14.000 IE pro Tag) die Schubrate senken (41 Prozent) und die Progression der Behinderungen bremsen (0,23 EDSS-Punkte) kann. Für ein signifikantes Ergebnis war die Untersuchung zwar zu klein, aber immerhin hat sich die Therapie als sicher erwiesen; via ärztezeitung.
(Neurology 2010; 74:1852)
Offenbar ist so ziemlich alles wirksamer als eine klassische Basistherapie. Allmählich komme ich mir böse verarscht vor.

Progranulin auf der Genfähre

FRANKFURT Irmgard Tegeder von der Goethe-Universität hat in Zellkulturen beobachtet, wie das Protein Progranulin Nervenzellen nicht nur schützt, sondern auch deren Regeneration unterstützt. Um einen möglichen Mangel an Progranulin in geschädigten Nervenzellen auszugleichen, könnte das Gen für die Herstellung des Proteins per Virus in die Nervenzellen geschleust werden; via frankfurter-rundschau & journal-med.

MS ist durch Bluttest möglicherweise frühzeitig nachweisbar

TEL AVIV (the-jerusalem-post) Israelische Wissenschaftler haben neun Jahre alte Blutproben von Armeerekruten analysiert. Neun der Soldaten erkrankten lange nach ihrem Wehrdienst an Multipler Sklerose. Ihr Blut wies aber schon zum Zeitpunkt der Blutentnahme, also deutlich vor der MS-Diagnose, typische genetische Marker einer beginnenden Autoimmun- krankheit auf.
Professor Anat Achiron von der Tel Aviv University’s Faculty of Medicine glaubt daher, eine Methode entwickeln zu können, mit der sich die Krankheit schon viele Jahre vor dem Auftreten der ersten klinischen Symptome diagnostizieren ließe – und Julie Stachowiak von ms-about.com fragt sich, wofür das denn überhaupt gut sein könnte.
Tscha Julie, die BT-Hersteller werden schon wissen, wozu so ein Test zu gebrauchen wäre.

Gehirn als Myelinmüllhalde – Antikörper zur Neuroregeneration

Im peripheren Nervensystem beseitigen spezielle Antikörper das geschädigte Myelin kranker Nervenzellen und ermöglichen so deren rasche Regeneration. Nur im ZNS hat diese Müllabfuhr keine Arbeitserlaubnis. Ben Barres von der Stanford University School of Medicine würde das gerne ändern: Nach einer akuten Hirnschädigung könnte man Patienten die fehlenden Antikörper direkt ins Gehirn injizieren und damit Mikrogliazellen zur Beseitigung defekter Myelinschichten bringen; via spektrumdirekt.
Unsere tägliche Hirninjektion gib uns heute.

Janusköpfiger Antikörper: CD8+

SEATTLE Ein zweischneidiges Schwert bekämpft Viren und eigene Neuronen. Zumindest bei Mäusen scheint eine Infektion mit einem eigentlich harmlosen Virus (wieder mal Epstein-Barr) die Nagetier-MS einzuleiten, weil die körpereigenen Abwehrmaßnahmen sich gleichzeitig gegen den Erreger und die eigenen Hirnzellen richten.
Joan Goverman von der Washington State University und ihre Kollegen zeigen, dass Tiere mit einem bestimmten CD8+-T-Zelltyp betroffen sind, der nicht nur wie üblich eine spezifische, sondern gleich zwei verschiedene Antigen-Rezeptoren auf seiner Oberfläche trägt. Einer dieser Rezeptoren erkennt dabei ein bestimmtes Oberflächen-Antigen auf einem Virus, der zweite jedoch ein hirnspezifisches Myelinpeptid. Kreuzreaktionen; via spektrumdirekt.
Möglicher Therapieansatz? Erlanger Biologen gelang es, ein bakterielles Enzym zu identifizieren, das unerwünschte Zuckerseitenketten von den Antikörpern entfernt. Zumindest im Tierversuch ist die Methode erfolgreich; Informationsdienst Wissenschaft.
[Ji, Q. et al.: Viral infection triggers central nervous system autoimmunity via activation of CD8+ T cells expressing dual TCRs. In: Nature Immunology 10.1038/ni.1888, 2010.]

Britische Basistherapie-Studie endet im Fiasko

Der independent hat heute einen Artikel über die weltweit größte BT-Studie veröffentlicht. Untersucht wurde – im Auftrag der britischen Gesundheitsbehörden – die Wirkung von Avonex, Betaseron, Rebif und Copaxone. Das Fazit der 2002 begonnenen Langzeitbeobachtung ist erschreckend: Weiterlesen