Was passiert eigentlich, wenn die Krankenkasse einen Rabattvertrag mit einem Hersteller abgeschlossen hat, aber dieser einen Wirkstoff – im Gegensatz zur Konkurrenz – nicht zuzahlungsbefreit anbietet?
Keine einfache Frage, wir müssen ein konkretes Beispiel bemühen: Angenommen wir sind bei der Techniker Krankenkasse versichert und benötigen den Wirkstoff Gabapentin als 300-Milligramm-Hartkapsel in der Backungsgröße N2 (100 Stück), dann bietet sich folgendes Szenario:
Die Techniker Krankenkasse hat gerade Rabattverträge für 89 Wirkstoffe ausgehandelt (Zuschlagliste). Vertragspartner für den Wirkstoff Gabapentin ist die Firma 1A Pharma.
Erfreulicherweise bieten drei Hersteller das Gabapentin in der gewünschten Dosierung 30 Prozent unter dem sogenannten Festbetrag an. Die Gabapentin-Präparate der Basics GmbH, AbZ-Pharma GmbH und der Actavis Deutschland GmbH & Co. KG sind somit nach Paragraph 31 Abs. 3 S 4 SGB V für alle gesetzlich Krankenversicherten zuzahlungsbefreit erhältlich (Gelbe Liste).
Unerfreulicherweise gehört der TK-Vertragspartner 1A Pharma nicht zu diesen günstigen Anbietern und die TK-Versicherten müssten daher 5,00 Euro zuzahlen, obwohl es drei Hersteller ohne Zuzahlungspflicht gibt.
Auf telefonische Anfrage meines fabulösen Back Office bestätigt die Techniker Krankenkasse diesen Sachverhalt mit den Worten „Das ist halt so“. Theoretisch bestehe zwar die Möglichkeit (Paragraph 31 Abs. 3 S 5 SGB V) die Zuzahlung um die Hälfte zu ermäßigen oder gar aufzuheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten seien, davon werde aber kein Gebrauch gemacht. Ach so, ach so.
Tja, aber das Back Office wäre nicht mein Back Office, wenn es sich damit zufrieden gäbe. Tatsächlich existieren nämlich zwei weitere Möglichkeiten, um der Zuzahlung zu entgehen.
Am simpelsten – aber irgendwie unsportlich – ihr bringt euren Arzt dazu, explizit ein Präparat der drei zuzahlungsbefreiten Hersteller zu verordnen und das Aut-Idem-Kästchen anzukreuzen, um den Austausch durch den Apotheker zu verhindern.
Weniger einfach wird’s, wenn ihr euch statt der 300-Milligramm-Hartkapseln in der Backungsgröße N2 (100 Stück) drei N2-Packungen mit 100-Milligramm-Hartkapseln verschreiben lasst. Diese Verpackungseinheit kann 1A Pharma nämlich seltsamerweise zuzahlungsbefreit anbieten.
Ziemlich wirre Sache das – und im Rest der deutschen Gesundheitsbewirtschaftung geht es eher noch unübersichtlicher zu.
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