SEATTLE Auf dem Jahrestreffen der American Academy of Neurology (AAN) präsentierte Biogen Idec seine Zukunftsprognose für die Entwicklung des PML-Risikos in der Tysabri- Therapie.
Die Wahrscheinlichkeit an einer PML zu erkranken, liegt auf Basis der aktuellen Fallzahlen international bei 1,3 zu 10.000 (Danke, konnten wir selbst ausrechnen). Über die Therapie- Dauer aufgeschlüsselt, stellt sich das Risiko so dar:
>12 Monate = 2,4 zu 10.000 / >18 Monate = 1,3 zu 10.000 / >24 Monate = 3,0 zu 10.000
Der Schluss liegt nahe, dass das Risiko mit der Dauer der Therapie zunimmt. Es könnte sich aber auch bloß um Zufall handeln. Na ja, glauben hilft. Den Ungläubigen drängt sich dafür der Gedanke an ein zeitlich limitiertes Therapieregime auf (coole Formulierung, neues Fetischwort).
Auf Basis der oben genannten Zahlen erwartet Biogen Idec in der Zukunft etwa alle 2 Monate einen neuen PML-Ausbruch. Sollte das Unternehmen seine mittelfristigen Absatzziele irgendwann tatsächlich erreichen (> 100.000 Tys-Patienten), dürfte sich die Zahl der PML-Erkrankungen dann aber eher noch mal verdoppeln als halbieren – oder?
Trotz allem sind das gute Nachrichten für die MS-Welt. Nach den für das Arznei- mittelzulassungsverfahren relevanten Studien musste von einem PML-Risiko von 1 zu 1.000 ausgegangen werden. Wir sprächen dann heute bereits von 50 bis 60 Opfern!
Dass diese positive Entwicklung sich hierzulande trotzdem derart unerfreulich anfühlt, mag daran liegen, dass eine einzige Hochrisiko-Gruppe definitiv identifiziert werden konnte – nämlich wir, die DEUTSCHEN!
Von den 6 bestätigten PML-Fällen ereigneten sich 4 in Deutschland (66,67 Prozent). Mag ja sein, dass auch hier wieder bösartigster Zufall im Spiel ist, glauben kann ich das nicht. Für genauso unwahrscheinlich halte ich eine genetische PML-Prädisposition der Teutonen. Hurra ein Deutschen-Gen, nur echt mit gesicherter Diagnose!
Aber im Ernst, am ehesten sollten Deutschlands Neurologen über ihr Verordnungsverhalten reflektieren. Zumindest meine Beobachtung legt mir nahe (anekdotische Evidenz), dass die Indikationsstellung für Tys derzeit – freundlich ausgedrückt – sehr weit ausgelegt wird. Dazu sollten vielleicht auch zeitliche Mindestabstände zu aggressiven Vortherapien verbindlich festgelegt werden. Womöglich gehört die Tysabri-Verordnung sogar ausschließlich in die Hände darauf spezialisierter Universitätskliniken/Fachkrankenhäuser?
Und Biogen Idec muss sich fragen lassen, ob dieses Laissez-faire am deutschen Markt nicht langfristig auch den internationalen Unternehmenserfolg infrage stellt.
(Quellen: Investorvillage.com, Chris, Pit & eigene Recherche)